Frage: Welche Rolle spielt der Atlasflügel bei der Stellung des Pferdekopfes?
Das Genick des Pferdes besteht aus mehreren Elementen. Ganz vorne, zwischen den Ohren, liegt das Hinterhauptsbein. Es ist das obere Ende des Schädelknochens und von außen recht gut zu ertasten. Unterhalb der Ohren, etwas über Augenhöhe, liegt das Kiefergelenk. Der hier beginnende Unterkieferast ist der hintere/untere Rand des Pferdekopfes.
Das Bildrechts zeigt die Schädelknochen des Pferdes, die an der Stellung beteiligt sind. Man sieht sie, wie der Reiter sie sehen würde.
Lila: Unterkieferäste
Rosa: Unterkiefer mit Zähnen
Grün: Hinterhauptsbein
Hellgrün: Kiefergelenk
Rot: Atlas
Hellrot: Atlasflügel
Blau: Axis
Braun: 3. Halswirbel
Der erste Wirbel des Pferdehalses ist der Atlas. Aufgrund seiner Anatomie ist hier nur eine Auf-und-Ab-Bewegung des Kopfes möglich (wie beim "Ja-Sagen"). Der zweite Wirbel (Axis) lässt dagegen nur eine Drehung des Kopfes zu (Bewegung wie beim "Nein-Sagen").
Daher kann eine Beizäumung nur zwischen Kopf und Atlas, eine Stellung nur zwischen Atlas und Axis stattfinden.
Lila: Unterkieferast
Grün: Hinterhauptsbein/Schädelknochen
Hellgrün: Kiefergelenk
Blaugrün: Jochfortsatz des Hinterhauptbeines
Rot: Atlas
Helllrot: Atlasflügel
Beim Stellen des Pferdekopfes nähert sich der Unterkieferast den Knochenfortsätzen am Hinterhauptsbein (Jochfortsatz: blaugrün) und 1. Halswirbel (Atlasflügel: hellrot).
Der Platz für die dort liegende Ohrspeicheldrüse, Muskeln, Nerven und Adern wird geringer.
Beim Reiten in Dehnungshaltung mit offenem Genick ist auch bei untrainierten Pferden genug Platz für die Ohrspeicheldrüse (Ganaschenfreiheit).
Zitat Branderup:
"Eine Senkung des Halses etwas unter die Widerristhöhe und die Nase knapp vor der Senkrechten, bringt die Halswirbelsäule des Pferdes in die zum Reiten benötigte S-Kurve."
Je mehr das Pferd aufgerichtet wird, umso enger wird der Raum zwischen Unterkiefer und Atlasflügel/Jochfortsätzen. Nur durch langsam aufbauendes Training kann sich die für die Aufrichtung benötigte Muskulatur so umbauen, dass die Ohrspeicheldrüse mit ihrem umliegenden Gewebe zwischen den Unterkieferästen hinein gleiten kann und das Pferd auch in dieser Haltung keine Schmerzen hat.
Aus diesem Grund (wenig Platz zwischen Atlasflügeln und Unterkieferästen) ist bei starker Aufrichtung keine Stellung mehr möglich.
Zum Kauen und Schlucken muss das Pferd den Hals wieder mehr in Dehnungshaltung bringen können.
Zitat Branderup:
"Ganaschenfreiheit bedeutet maximalen Raum für Luftröhre, Schlucken und Blutzirkulation, genauso wie für die Ohrspeicheldrüse, die 15 l Speichel am Tag produziert ... . Bei zu wenig Ganaschenfreiheit besteht die Gefahr, dass Teile davon zwischen Unterkieferast und Atlasflügel eingequetscht werden und absterben. Daher steht die Dehnungshaltung an erster Stelle der Ausbildung und wird auch während der Arbeit immer wieder abgefragt."