Frage: Was versteht man in der Akademischen Reitkunst unter Anlehnung?

In der Reiterei, nicht nur der akademischen, strebt der Reiter danach, sein Pferd dazu zu bringen, Anlehnung zu suchen. Es ist die feine Ver­bin­dung, die das Übermitteln von Signalen und damit Kommuni­kation möglich macht. Soweit so gut.
Schaut man dann genauer hin, dann bestehen bei der Vorstellung zu „Wie, wann und wieviel“ einige Unter­schiede, denen ich hier einmal nach­spüren möchte.

Es soll keine wissen­schaftliche Ab­handlung werden, die alle Argumente bis in kleinste Detail be­leuchtet, sondern lediglich das „zu Papier bringen“ von Ge­danken, die im Alltag immer mal wieder meinen Weg kreuzen. Vielleicht regt es zur Dis­kussion an, welche dann letzten Endes wieder ein Quäntchen mehr Klarheit schaffen kann.
Ich freue mich auf eure Meinung dazu- gerne per E-Mail.


Wo findet die Anlehnung statt?

In der konventionellen Reiterei nimmt man eine gut fühl­bare Verbindung von Reiterhand und Pferdemaul in Kauf. Mit der Aussage „der Zügel soll nicht springen“ wird gerade auch bei ungeschulten Reitern und Pferden der Zügel oft so kurz genommen, dass es die Reiter­arme nach vorne zieht. Das soll so sein, das wird so gelehrt, denn man braucht sie ja, die Anlehnung…
Bei der aka­demischen Aus­bildung wird dem Pferd bei­ge­bracht, dass auf ein Nach­geben Seitens des Pferdes, ein Nachgeben des Reiters erfolgt. 

Beide geben nach


Wir ermutigen das Pferd von Anfang an dazu, den Kontakt zum Kopf­stück zu suchen, also immer wieder zu testen, wie viel Dehnung im Moment erlaubt ist. Stößt es an die Grenze, die der angenom­mene Zügel darstellt, soll es wieder nachgeben. Es besteht also durchaus eine Verbindung von Pferde­maul zur Reiter­hand, allerdings nur leicht und federnd, ganz individuell von der Sensibilität des jeweiligen Pferdes abhängig.
Die Einfluss­nahme des direkten Zügels beschränkt sich daher auf den Rahmen und die Stellung.


Und wie lenke ich dann?

Wir lenken die Vorder­beine, denn sie bestimmen die Richtung, in die sich ein Pferd bewegt. Und da diese nicht am Maul ange­wachsen sind, sondern über die Schultern am Brust­korb angeheftet, reicht es völlig, wenn ich die Schultern zwischen den Zügeln führe – nicht einfach, aber machbar.

Wie alle Hilfen muss auch die indirekte Zügel­hilfe langsam aufgebaut werden. Das geht vom breiten Führen der Zügel, so das immer nur einer zur Zeit am Hals liegt bis zur einhändigen Zügel­führung. Auf dem Weg dahin lernen Reiter und Pferd diese Signale immer feiner zu geben und zu deuten.

Wie lang sollen die Zügel sein?

Meines Erachtens macht es keinen Sinn, die Zügel innen und außen gleich lang zu fassen.

Warum? 

Beim Dehnen folgt das Pferd dem Rahmen, der ihm vom Reiter vor­gegeben wird bis es den ersten Wider­stand spürt. Durch die Arbeit auf der gebogenen Linie erfolgt bei gleich langen Zügeln der erste Impuls außen, von dem es sofort zurück weicht.

Hier gibt es dann zwei Varianten:

  • Habe ich mein Pferd gut am Sitz (und sitze auch noch richtig), dann erfährt es hier „bleibe in Stell­ung und Biegung“. Da es einen stärkeren Zug am Zügel eher vermeidet, hängen der Äußere leicht und der Innere stärker durch. Je kleiner die Wen­dung, je stärker schlabbert der innere Zügel. Es ist an­zunehmen, dass unser Pferd davon irritiert wird. Schließlich soll, wenn es alles richtig macht, jede Hilfe so minimal wie möglich sein. Fassen wir den inneren Zügel kürzer, dann hört das Schlabbern auf.
  • Ein Pferd in der Aus­bildung hört vielleicht noch nicht so gut auf den Sitz. Was passiert hier?
    Das Pferd dehnt sich, der äußere Zügel gibt zuerst einen Impuls (Zirkel­arbeit mit gleich langen Zügeln) und da es gelernt hat, auf Zügel­zug nachzugeben, stellt es sich nach außen. Um das zu vermeiden lohnt es sich, auch in diesem Fall den inneren Zügel kürzer zu fassen. 

Die Länge des inneren Zügels fordert bei Kontakt einen gewissen Grad der Stellung, die Länge des äußeren Zügels begrenzt diesen Grad der Stellung/ Biegung. Das Pferd kann seinen Kopf ungestört im Bereich zwischen diesen beiden Punkten tragen.

Zusammenfassend möchte ich sagen:

  1. Kein Dauerzug am Maul
  2. Anlehnung findet mit dem Zügel an der Schulter- Halspartie statt
  3. Die direkte Zügeleinwirkung dient nur Ausbildungs- oder Korrekturzwecken

Was meint Ihr?